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Deutliche Absage an VW!

Vonlegalsupport

Deutliche Absage an VW!

Der Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union

Es wird ein Sachverhalt aufgegriffen, der über die Jahre schon mehrfach von dieser Stelle thematisiert wurde. Unter anderem im Beitrag “Der Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union!, aber auch in Perfider Plan und die Erfüllungs-Gehilfin!, noch weiter zurückliegend in Wenn der Verdacht zur Gewissheit wird… und Volkswagen und der Europäische Gerichtshof!, wo wir uns bereits im März des Jahres 2020 befinden.

Landgericht Gera

Alle Beiträge drehen sich im weitesten Sinn um die Handlungsweise des Landgerichtes Gera. Die Kanzlei schutte.legal hatte unter dem Aktenzeichen 7 O 1188/18 ein manipuliertes Dieselfahrzeug von Volkswagen zwecks Erzielung von Schadenersatz vor das Landgericht Gera gebracht. Im Zuge des Verfahrens ergab es sich, dass das Landgericht beim Europäischen Gerichtshof Fragen der grundsätzlichen Rechtssprechnung vorlegte. Daraus entsprang ein munteres Vorabentscheidungsverfahren an ebenjenem EuGH unter dem Aktenzeichen C 663/19. Ohne auf die Fragen und Details des Verfahrens allzu lange einzugehen, Volkswagen zahlte umgehend Schadenersatz ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung, die Verfahrenskosten, kurz, alles was das Herz des Klägers begehrte, anscheinend.

Perfider Plan und die Erfüllungs-Gehilfin!

Ziel der überraschend umfangreichen und noch überraschender frühzeitigen Zahlung von Volkswagen an den Kläger war mitnichten das verspätet einsetzende schlechte Gewissen des Automobilherstellers mit dem angekratzten Image. Tatsächlich wurde umgehend auf Beendigung des Verfahrens in Luxembourg gedrängt, denn durch Erfüllung der streitgegenständlichen Forderung durch die Beklagte im Verfahren vor dem Landgericht in Gera sei das am EuGH anhängige Verfahren schließlich hinfällig geworden.

Erstens kommt es anders…

Erstens kommt es anders… …und zweitens als man denkt. Bereits am 20.04.2020 äußerste sich das Landgericht Erfurt unter dem Aktenzeichen 8 O 1045/18 wie folgt: “Das Ausgangsverfahren bleibt ausgesetzt. Der Europäische Gerichtshof wird in dem anhängigen Verfahren (C-276/20) weiterhin um eine Antwort auf die beiden Fragen aus dem Vorlagebeschluss vom 15. Juni 2020 ersucht.” Auch hier wurde versucht, dass Verfahren am EuGH vorzeitig zu beenden durch prozessuale Maßnahmen am vorlegenden Gericht. Der Versuch darf als gescheitert betrachtet werden. Bei näherer Betrachtung der vorgelegten Fragen wird aber schnell klar, warum der Versuch gestartet wurde. Frage 1. lautet: “Gebietet es das Recht der Union, insbesondere der Effektivitätsgrundsatz und die europäischen Grundrechte, im Falle eines Verstoßes des Herstellers eines Fahrzeuges oder Motors gegen das europäische Zulassungsrecht und gegen europäische Abgasnormen keine Anrechnung der tatsächlichen Nutzung des Fahrzeuges auf den Schaden des Käufers vorzunehmen? Gilt ein solches Abzugsverbot jedenfalls für den Fall, dass ein Hersteller den Kunden sittenwidrig vorsätzlich schädigt?”

Nutzungsentschädigung

In der Frage soll die Klärung des Abzugs der Nutzungsentschädigung auf den Tisch kommen. Man kann sich das stark erhöhte Interesse von Volkswagen lebhaft vorstellen, diese Frage ungeklärt lassen zu wollen, und mit der Rechtssprechnung des Bundesgerichtshofes im Rücken viel Geld sparen zu können. Nach dem Willen des Landgerichtes Erfurt wird es jetzt dennoch zu einer abschließenden Beantwortung der Frage kommen. Interessant ist vor allem wie weit sich das Gericht gegen die Methoden von Volkswagen positioniert. Eine deutliche Absage an VW.

Rechtsmissbräuchlich

Zusammenfassend steht dort, ähnlich wie schon weiter oben im Text: “Das Ausgangsverfahren ist nicht beendet. Die Antworten des Europäischen Gerichtshofessind entscheidungserheblich. Zudem ist das Vorgehen der Beklagten im vorliegenden Fall – aus Sicht des deutschen Rechts – als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Eine Entscheidung des Gerichtshofes ist aber auch nach dem Recht der Union geboten.” Rechtsmißbräuchlich der Vorwurf, der nun erheblich untermauert und begründet wird. Folgend einige Passagen des umfangreichen Beschlusses.

Auszüge aus dem Beschluß

Hier nun einige Auszüge aus dem Beschluß im Wortlaut: “Die Antworten des Gerichtshofes sind weiterhin entscheidungserheblich. Es besteht daher für das vorlegende Gericht, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung zu tragen hat, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache kein Grund oder Anlass, das Vorlageverfahren zu beenden und das ausgesetzte Verfahren wieder aufzurufen.” Das Gegenteil dessen, was am Landgericht Gera beschlossen wurde. An anderer Stelle: “Eine Rückforderung des überwiesenen Betrages ist nicht ausgeschlossen. Die Beklagte hat weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Handeln auf eine spätere Rückzahlung
verzichtet.”
Ebenso das exakte Gegenteil, hier des Ansinnens des Klägers auf unwiderufliche Gewißheit. Wer würde eine vermeintliche Schadenersatzzahlung annehmen, die bei sich bietender Gelegenheit zurückgefordert werden kann. Das Landgericht zu Erfurt läßt in seiner Formulierung nichts zu wünschen übrig. Erneute deutliche Absage an VW.

Weitere Auszüge

Wegen der bemerkenswerten Klarheit der Sprache hier noch weitere Auszüge, die Randnummer 23 in voller Länge: “Die Beklagte verstößt mit ihrem Vorgehen zudem gegen das grundlegende Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Ihr Versuch, unter Umgehung der zur Verfügung stehenden prozessualen Mittel eine Fortsetzung des Prozesses zu verhindern, um so den Europäischen Gerichtshof um seine bevorstehende Antwort zu bringen, ist in Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Einzelfalls als rechtsmissbräuchlich anzusehen.” Unmißverständlich! Es ist nicht so lange her, dass der Beklagten vorsätzliche Sittenwidrigkeit attestiert wurde. Jetzt kommen, klar herausgearbeitet, Rechtsmißbrauch und Verstöße gegen die Prinzipien von Treu und Glauben hinzu. Ist der Ruf erst ruiniert…

Noch lange nicht zu Ende

Der den Beschluß verfassende Richter ist noch lange nicht zu Ende mit der Hervorhebung erheblichen Fehlverhaltens von Volkswagen, und mithin der Gerichte, die das unwidersprochen gelassen haben. Randnummer 24 zu großen Teilen ergeht sich wie folgt: “Insbesondere stellt es ein selbstwidersprüchliches Verhalten – venire contra factum proprium (dem früheren Verhalten widersprechendes Handeln, Übers. d. Verf.) – dar, vorliegend de facto vom ungeschmälerten Kaufpreis auszugehen, aber in zahllosen weiteren Fällen auf dem Abzug einer Nutzungsentschädigung zu beharren. Es handelt sich daher nicht um eine, als solche legitime, „Kulanzleistung“ oder Rücksichtnahme auf eine Geschäftsbeziehung oder auf „den lieben Frieden“, vielmehr um eine Zahlung aus nicht billigenswerten Motiven heraus.” Sich einmal besonders großzügig zeigen, um in hunderttausenden Fällen weiter knausern zu können. Ein ersichtlich nicht billigenswertes Motiv.

Landgericht Erfurt

Die 8. Zivilkammer am Landgericht Erfurt findet hier sehr klare Worte zum Verhalten des ohnehin schon höchst negativ aufgefallenen Konzerns. Wie der Verfasser an anderer Stelle schrieb: “An dieser Stelle werden in Zukunft weitere Schlaglichter folgen und eine Justiz in der Krise zeigen.” Bleibt heute zumindest der Verweis auf einen Silberstreif am Horizont. Es bleibt hoffentlich dem EuGH die Möglichkeit zu beantworten, in wie weit oder ob überhaupt ein durch vorsätzliche Manipulation stark wertgemindertes Fahrzeug bei der Veranschlagung der Nutzungsentschädigung mit vollem Wert berücksichtigt wird. Das könnte eine wirklich deutliche Absage an VW werden.

schutte.legal

Rechtsanwalt Torsten Schutte von schutte.legal unterstütz den Beschluß des Landgerichtes Erfurt unter dem Aktenzeichen 8 O 1045/18 vollumfänglich. Hier werden, endlich, muß man sagen, Worte gefunden, für deren tieferen Sinn er seit 6 Jahren kämpft.

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