• 030 403 638 090
  • 0151 421 82 646

Wenn der Verdacht zur Gewissheit wird…

Vonlegalsupport

Wenn der Verdacht zur Gewissheit wird…

Am 12.03.2020 berichteten wir unter dem Titel “Volkswagen und der Europäische Gerichtshof!” über die vermutete Motivation von VW zur Erfüllung aller vor Gericht gebrachten Forderungen. Der noch am angegebenen Ort vorsichtig geäußerte Verdacht erhärtet sich nun mit dem Schreiben der Rechtsbeistände des abgasmanipulierenden Automobilhersteller vom 14.04.2020 zur absoluten Gewißheit.

Sinn und Zweck des Manövers war, den Rechtsstreit des beim Europäischen Gerichtshofes vorlegenden Gerichtes, in diesem Fall des Landgerichtes in Gera, durch “vollständige Erfüllung des vom Kläger geltend gemachten Betrages” zu erledigen. Nun kann nicht eine Partei ein Verfahren für erledigt erklären, es bedarf der Zustimmung des Gegners.

Diese Zustimmung ist aus absolut nahe liegenden Gründen nicht erfolgt. Die höchstrichterliche Würdigung des Falles wurde mit erheblichen Mitteln angestrebt, und wird nun nicht fallen gelassen. Die dem EuGH vorgelegten Fragen werden nach wie vor als dringend zu beantworten priorisiert.

Nun erfolgt der zweite Streich von Seiten des Herstellers des Dieselmotors EA 189, der, der Vollständigkeit halber sei das an dieser Stelle vorab noch einmal mit aller Deutlichkeit genannt, 11.000.000 mal gebaut und in Fahrzeugen montiert wurde. Man nimmt unsachgemäß Bezug auf § 267 (2) des “Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union” (AEUV).

Es wird auszugsweise zitiert: “Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung…” und “…eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt…”, sowie “…so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen.”

Ein Gericht kann bei Erheblichkeit dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorlegen. Der Europäische Gerichtshof begutachtet die Erheblichkeit aus eigener Sicht. Den Fragen des Landgerichtes Gera wurde die erforderliche Erheblichkeit zugestanden. Der Fall wird unter dem Aktenzeichen C 663/19 geführt.

Mit der Erfüllung der Forderungen aus dem Verfahren in Gera drängt Volkswagen auf Erledigung, und ohne, dass die Erledigung von der Gegenseite aus gegengezeichnet wäre, wird insinuiert, dass – im hypothetischen Fall besagter Erledigung – die Fragen beim EuGH wegen ihrer dann “hypothetischen Natur” nicht mehr zuzulassen wären.

Im Detail wird zitiert aus Erklärungen des EuGH selbst: “Denn der Geist der Zusammenarbeit… …verlangt, dass… …nicht aber, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben.” EuGH, Urteil vom 21.03.2002, C-451/99. Es sei angemerkt, dass es in der Sache um EINEN Leasingvertrag eines österreichischen Kunden eines deutschen Unternehmens drehte, und sich daraus ergebende fiskalische Interessen des Staates Österreich.

Es wird ein weiteres Urteil des EuGH aus dem Jahr 1998 bemüht. Es sei am Rande erwähnt, dass der EuGH in seiner derzeitigen Zustandsform und Zuständigkeit für Dinge der EU erst seit 2009 besteht, also durchaus schon Antwortbedarf zur Verfasstheit des damaligen Gerichtshofes besteht. Im Urteil zum Aktenzeichen C-314/96 wird mit Hinweis auf die vollständige Erfüllung der Forderungen angemerkt: “Folglich besteht kein Anlaß, die Vorabentscheidungsfrage zu beantworten.”

Auch in dieser Sache ging es um die Klärung einer Rechtsfrage EINER realen Person, konkret um die Auslegung eines Paragraphen in einem Kooperationsabkommens zwischen Algerien und der Europäischen Union. Ohne der genannten Sache einen Minderwert attestieren zu wollen, erscheint es angeraten, auf das eklatante Missverhältnis zwischen den gleichgelagerten Fallzahlen hinzuweisen.

Nicht nur deshalb der obige Hinweis auf die exorbitante Zahl gleichartiger Motoren. Es spricht der Realität und Lebenswirklichkeit puren Hohn, aus teilweise weit zurückliegenden tatsächlichen Einzelfällen, und der Reaktion des EuGH darauf, abzuleiten, dass ein Vorbringen von Fragen aus einem Verfahren im “Dieselskandal” einen “hypothetischen” Charakter haben könnte.

Es stellt sich nachgerade zwingend die Frage nach einem mangelnden Zugang zur Wirklichkeit im Allgemeinen und zur Wahrheit im Speziellen, Millionen gleichgelagerter Fälle mit erheblicher Auswirkungen auf individuellen wie gesamtgesellschaftlichen Wohlstand auszublenden, um das selbst herbeigeführte Risiko am eigenen finanziellen Vorteils zu minimieren und zu kaschieren.

Mitnichten ist aus § 267 des AEUV auch nur ansatzweise herauszudestillieren, dass eine, nicht einmal erfüllte, Erledigung EINES EINZIGEN Falles durch ledigliche Erfüllung der Forderungen (aus der Sicht der Klagepartei das einzige Ergebnis, das nicht mindestens als Teilniederlage empfunden wird!) eine Unerheblichkeit zur höchstrichterlichen Würdigung induziert.

Die parallel dazu “höchst vorsorglich” beantragte “Durchführung einer mündlichen Verhandlung” wird als reiner Showeffekt angeprangert. Was hätte Volkswagen respektive seine Anwälte wirklich in der Sache zur Beantwortung von Fragen beizutragen, die ersten schon als “hypothetisch” gebrandmarkt werden, und die im Vorfeld grundsätzlich als Versuch der Ausforschung nicht beantwortet wurden.

Aus der Kenntnis der zuletzt eingegangen Schriftstücke heraus, wird das Ansinnen der Rechtsbeistände von Volkswagen nicht nur als untauglich bezeichnet, sondern als offene Zumutung interpretiert. Der “Geist der Zusammenarbeit…” soll mißbraucht werden um Antworten einer unanfechtbaren Instanz zu verhindern. Die Begründung dazu ist falsch, die Motivation mindestens verwerflich.

Volkswagen hat sittenwidrig gehandelt und es bleibt lediglich die Hoffnung, dass unabhängige Organe der Rechtspflege nicht ermuntert werden sollen, Ähnliches zumindest in Erwägung zu ziehen.

Rechtsanwalt Torsten Schutte von der Kanzlei schutte.legal sieht sich zum wiederholten Male bestätigt für das Recht im Abgasskandal Geschädigter unvermindert weiter vor Gericht zu ziehen.

Über den Autor

legalsupport administrator