• 030 403 638 090
  • 0151 421 82 646

Innewohnender Minderwert – Rechtsrealität versus Marktrealität!

Vonlegalsupport

Innewohnender Minderwert – Rechtsrealität versus Marktrealität!

Der Bundesgerichtshof (BGH) verhandelte am vergangenen Dienstag erstmalig im Abgasskandal. Im Juli werden mehrere weitere Fälle im Themenbereich verhandelt. Es gibt natürlich noch keine Urteile, aus denen grundsätzlich heraus zitiert werden könnte.

Erste Tendenzen lassen sich aber durchaus erkennen und beleuchten. Mit anscheinend großem Erstaunen wurde von Volkswagen zur Kenntnis genommen, das auch der BGH illegale Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung für illegal hält. Hier wird dem Verbraucher höchstrichterlich die Tür zur Entschädigung weit aufgestoßen.

Weit weniger verbraucherfreundlich gestalteten sich die Ausführungen der Bundesrichter zur sogenannten Nutzungsentschädigung. Diese sei in der bisherigen Form und Anwendung durch Oberlandesgerichte nicht zu monieren, weder in ihrer Form noch in ihrer Höhe.

Letztinstanzlich wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass von Volkswagen vorsätzlich sittenwidrig in Verkehr gebrachte nicht zulassungsfähige Diesel dennoch ihren vollen Wert haben. Zwar auf Grund gesetzteswidrigen Verhaltens bei Herstellung und Verkauf gegen Rückzahlung des Kaufpreises zurückzunehmen, aber mit vollem Wert zu veranschlagen, wenn der arglistig getäuschte Käufer einen Nutzen daraus gezogen hat.

Mindestens an dieser Stelle wird der Sichtweise von Volkswagen kritiklos Platz eingeräumt, “der Wagen hätte schließlich zur Verfügung gestanden” und “der Marktwert wäre erst durch Dieselfahrverbote gesunken”. Unpräziser kann man die Wirklichkeit nicht abbilden.

Zum einen wohnt einem deutschen Automobil, dass laut den gesetzlichen Vorgaben schlicht keine Betriebserlaubnis erhalten hätte, unter jedem denkbaren Blickwinkel ein Minderwert inne. Diesen abweichend von Null zu beziffern ist erwartbar. Dieser Minderwert kann nicht Null sein, denn am ursprünglichen Zustand des Fahrzeuges ändert eine nachträgliche, eventuell ebenfalls illegale Nachbesserung, gar nichts.

Gegenstand des Klagevorbringens ist in vielen Fällen eben nicht die Rückabwicklung des Kaufvertrages mit dem Autohändler sondern die Rückgabe eines sittenwidrig manipulierten Fahrzeuges gegen Entschädigung nach § 826 BGB. Gemessen an der Zulassungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Veräußerung durch VW beträgt der Wert des Wagens Null, denn bei regelmäßiger Anwendung der Kriterien zur Typengenehmigung hätte keinerlei Teilnahme am Straßenverkehr auf der Tagesordnung gestanden.

Hier greift die in der Überschrift angeführte Rechtsrealität nachvollziehbar und es wurden nicht Millionen Pkw in Deutschland gleichzeitig stillgelegt, dennoch stand, auch nachzulesen in amtlichen Schreiben, die Zwangsstilllegung im Raum. Für wieviele oder gleichzeitig ist für den einzelnen Besitzer ganz und gar uninteressant, kann er doch völlig erwartbar nur mit seinem Fahrzeug von A nach B.

Der Minderwert eines solchen Fahrzeuges hat also einen zu beziffernden endlichen Wert ungleich null. Dieser einfachen Logik entzieht sich die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung und seit dem 05.05.2020, zumindest in der Wortwahl, auch der BGH.

Es bleibt Spekulation, die tatsächliche Motivation der Richter in Deutschland auf die reale Preisentwicklung von Dieselfahrzeugen zurückzuführen. Wäre es aber so, müßte man dringend auf eine andere Fehlwahrnehmung der Realität verweisen. Selbstverständlich sinkt der Nachfragepreis einer Ware in einem realen Markt nicht schon deswegen auf Null, weil dieses nicht allen Gesetzen entspricht.

Könnte man für Brotaufstrich aus Zucker und Fett, dessen Zutaten größtenteils auf den Flächen abgeholzten Urwaldes wachsen, noch für Zahlungsmittel in Umlauf bringen? Dem sinkenden Preis für ein Produkt mit Mängeln, die in ihrem Umfang und Ursprung von den meisten Bürgern bis heute kaum verstanden sind, steht selbstverständlich sofort eine Nachfrage der, schuldlos, Uninformierten gegenüber, die den Preis weitestgehend stabilisiert.

Dieser Umstand relativiert den Betrug am Kunden aber keineswegs. Den vollumfänglichen Schadenersatz für kriminelles Handeln, und der daraus erfolgenden Rückgabepflicht, zu verweigern mit dem Hinweis, ein so glücklicher wie nicht zu verallgemeinernder Sachverhalt habe schließlich den Schaden verhindert, ist unredlich, ist Unrecht.

Abstraktes Beispiel zur Verdeutlichung: Der Smartphonehersteller Apfelsin verbaut zur Reichweitensteigerung Akkus mit Plutonium in seine Geräte, die man aber nach Bekanntwerden des Skandals an die unbedarften Bewohner des neuentdeckten Kontinents Süd-Kommunikationiens verkaufen kann. Diese bezahlen ganz zufällig mit Goldklumpen statt mit Muscheln. Der Hersteller der Plutonium-Akkus bleibt ungeschoren, weil schließlich kein Schaden entstanden ist.

Die Kanzlei schutte.legal begrüßt ausdrücklich die Einstufung von Abschalteinrichtungen als illegal durch den BGH , kann sich der Sichtweise des Bundesgerichtshofes bezüglich der Nutzungsentschädigung aber nicht anschließen. Rechtsanwalt Torsten Schutte kämpft weiter für gerechte Urteile im Dieselskandal.

Über den Autor

legalsupport administrator