• 030 403 638 090
  • 0151 421 82 646

Ex ante? Ex post?

Vonlegalsupport

Ex ante? Ex post?

Dem Verfasser der Zeilen schwebte durchaus Rustikaleres vor um das neueste Schlaglicht auf eine Justiz in der Krise zu eröffnen, wiewohl im klar ist, dass schwere Vorwürfe mindestens gut, besser unwiderlegbar begründet sein müssen.

Ein Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichtes zu Dresden an seine Amtskollegen, zwar datiert vom bereits weiter zurückliegenden 9. April des Jahres, der breiteren Öffentlichkeit erst bekannt geworden durch Maßnahmen eines Richters des Landgerichtes Erfurt.

Bezweifelt doch besagter Richter seine und darüber hinaus die Unabhängigkeit des Gerichtes, dem er angehört. Und das mit einiger Wahrscheinlichkeit mit gutem Grund. Ruft im bereits erwähnten Schreiben der ebenso erwähnte Gerichtspräsident, namentlich Gilbert Häfner, ohne den geringsten Versuch sein Ansinnen zu kaschieren, zur vorsätzlichen Verschleppung von Gerichtsverfahren im Zuge des Dieselskandals auf.

Es mache sich jeder sein eigenes Bild vom Original des unsäglichen Pamphletes, in dem in den Augen des Verfassers die Unabhängigkeit der Justiz mit Füßen getreten wird, die Gewaltenteilung in unserem Land in Frage gestellt wird, und in letzter Konsequenz Hand an die Freiheitliche Demokratische Grundordnung gelegt wird.

Um der einleitenden Überschrift die Ehre zu geben wird aus dem Schreiben des Herrn Häfner, genauer aus einem Zitat aus einem Urteil (Az. III ZR 141/14) des Bundesgerichtshofes, zitiert: “Darauf, ob sich die Zurückstellung anderer Verfahren oder die Auswahl der Pilotverfah-ren – ex post betrachtet – als förderlich erwiesen hat, kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass die Entscheidung des Landgerichts aus der Sicht ex ante vernünftig und zweckmäßig war (vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791).”

Das Zitat ist schon dahingehend völlig verfehlt, da es sich um die Zurückweisung einer Revision EINES Klägers mit einer Vielzahl von Schadenersatzansprüchen, und nicht, wie in diesem Fall, um eine VIELZAHL von Klägern mit jeweils EINEM Schadenersatzanspruch, handelt. Zumal um einen außerordentlich berechtigten, wie dem Wortlaut des Paragraphen 826 unseres schönen Bürgerlichen Gesetzbuches unschwer zu entnehmen ist.

Nein, es wird nicht nur ein falscher Zusammenhang hergestellt, es wird auch das Recht des Verbrauchers auf Entschädigung zurückgewiesen, in dem schlicht angenommen wird, es wäre “ex ante”, jetzt also, schon vernünftig etwas zu tun, und es bräuchte “ex post”, also dann, man darf raten, 2023 oder 2027, nicht mehr nachträglich begründet zu werden.

Die Formulierung kann schon als solche nicht hingenommen werden, insinuiert sie doch ungeniert, man wäre heute schon schlauer als morgen. Gemessen an der, auch dem Oberlandesgericht im schönen Dresden, namentlich dem Herrn Häfner, bekannten Realität, dass mit jedem Tag der weiteren Nutzung eines manipulierten Diesel nach derzeitiger tatinstanzlicher Rechtsprechung die Nutzungsentschädigung zuungunsten der Kläger, ergo zugunsten des millionenfachen Verursachers, immer größer wird, eine bloße Unverschämtheit.

Die Gerichte seien jetzt schon überlastet, und es seien Prozeßfinanzierer beteiligt. Es wird zitiert: “Ich kommentiere dies nicht. Jedenfalls aber müssen wir davon ausgehen, dass trotz Musterverfahren die Klagewelle weiter gehen wird.” Er kommentiert es nicht, weil es nichts zu kommentieren gibt.

Die Rechtshängigkeit eines Verfahrens hängt, zumindest in einer unabhängigen Justiz, nicht davon ab, ob die finanziellen Verhältnisse des Vorbringenden dem zuständigen Richter schmecken oder nicht. Genauer gesagt ist es eine Grundvoraussetzung einer unabhängigen Justiz, dass solche Sachverhalte, so sie denn legal sind, den Richter schlicht nicht interessieren.

Darüberhinaus ist die Anzahl der Verfahren für den Einzelnen mit, wie oben vielleicht am Rande erwähnten, sehr guten Gründen zur Klage vollkommen uninteressant. Eventuell beschäftigt man sich in Dresden mit der Tatsache, dass es allein Deutschland noch mindestens 2 Millionen Dieselfahrer gibt, die ganz genau dasselbe Recht auf Entschädigung und Würdigung des Vorbringens haben, wie die, die es in der Musterfeststellungsklage oder ihrem Individualprozeß bereits bestätigt bekommen haben.

Rechtsanwalt Torsten Schutte von der Kanzlei schutte.legal schließt sich der scharfen Kritik am Schreiben des Herrn Häfner vorbehaltlos an. Er hat noch ein paar Tipps für den Arbeitsalltag in Dresden, speziell dort am Oberlandesgericht, parat. Man könne dort so langsam arbeiten, dass einem selbst diese lästige Klagewelle nicht auffällt, oder, bei doch erheblicher Überlastung, zeitnah emeritieren.

Über den Autor

legalsupport administrator