In modernen Staaten ist die Machtausübung durch die Gewaltenteilung gekennzeichnet. In der Wikipedia steht dazu: “Nach historischem Vorbild werden dabei die drei Gewalten Gesetzgebung (Legislative), ausführende Gewalt (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) unterschieden.” Konkret bedeutet das, dass dieselbe Person nicht verschiedenen Institutionen der Machtausübung angehören darf.
Das Justizministerium arbeitet seit mindestens einem Jahr daran, das Anforderungsprofil für die Vergabe des Amtes des Vorsitzenden Richters an Bundesgerichten zu verändern, zumindest für den Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht und den Bundesfinanzhof. Vorsitzende Richter haben im Senat zwar genauso nur eine Stimme wie jeder andere Richter, ihre faktische Macht beruht auf ihrem Einfluß auf Zeugnissen und Beförderungen der untergebenen Kollegen.
Nach den Vorstellungen des Justizministerium sollen in Zukunft quasi Seiteneinsteiger nicht nur zu Obersten Richtern ernannt werden können, sondern per Akklamation sofort zum Obersten Richter aufsteigen. Galt früher noch, dass man mindestens fünf Jahre im dortigen Senat tätig gewesen sein mußte, kann heute ein Abteilungsleiter aus einem Bundesministerium ohne nennenswerte Richterfahrung gleich an die Spitze aufsteigen. Hier, so beklagt Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof Vorwerk, beginnt die Politisierung der Justiz.
Das Ganze erhält einen unangenehmen Beigeschmack angesichts einer herannahenden Bundestagswahl. Je nach Ausgang dürfte der eine oder andere Abteilungsleiter seinen Sessel räumen dürfen, und wäre mit einem Posten als Vorsitzender Richter eines Bundessenats wieder in derselben Besoldungsgruppe wie zuvor. Die Glaubwürdigkeit der Unabhängigkeit der Justiz in diesem Land wird durch solche Handlungsweise in Gefahr gebracht, und damit das Gemeinwesen als solches.
Weniger sorglos geht man im Bundesarbeitsministerium mit der Gewaltenteilung um, unbesehen der Tatsache, dass die Minister der jeweiligen Ressorts Arbeit und Justiz derselben Partei entstammen. Am Bundesarbeitsgericht sowie am Bundessozialgericht sollen auch in Zukunft die alten Regeln gelten. Grotesk, dass an verschiedenen Bundesgerichten offensichtlich erheblich unterschiedliche Regelungen parallel existieren sollen. Auch hier steht der Ruf der Justiz auf dem Spiel.
Die Präsidenten der von der geplanten Neuregelung betroffenen Bundesgerichte stellten in einem Brief an Bundesjustizministerin Lambrecht noch einmal deutlich heraus, dass es keinen Konsenz gäbe, und das man befürchte, dass ein “problematischer Eindruck” zur Gewaltenteilung entstehe.
In der Tat werden schon seit Jahren immer wieder Stimmen laut, die Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland anmelden. Das derzeitige Auftreten des Justizministeriums trägt hier sicher nicht zur Beruhigung der Situation bei. An dieser Stelle eine kurze Erinnerung, an den Anfang des Textes. Hier soll zwar niemand gleichzeitig zu zwei verschiedenen Institutionen gehören, aber ohne jeden zeitlichen Übergang leitende Funktion in zwei Behörden haben, die sich dem Grundgesetz nach gegenseitig kontrollieren sollen. Häßlich der Verdacht, es könne sich nicht nur um den unschönen Versuch handeln, politischen Freunden ein wohldotiertes Altenteil zu verschaffen, sondern dies als nur als Vorwand für tatsächlichen Einfluß auf Bundesgerichte zu mißbrauchen.
Rechtsanwalt Schutte von der Kanzlei schutte.legal geht aus seiner langjährigen, beruflichen Erfahrung davon aus, dass die Justiz hierzulande ein erhebliches strukturelles Problem mit der grundgesetzlich verankerten Unabhängigkeit hat.
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