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Zwei Urteile, zwei Meinungen, eine Frage!

Vonlegalsupport

Zwei Urteile, zwei Meinungen, eine Frage!

Montag, 20.04 anno 2020, Corona hält die Welt in festem Griff, nichtsdestoweniger liegen zwei Urteile auf dem Schreibtisch, die es gilt sich näher anzusehen. Im ersten Ansehen praktisch identisch, eines aus dem Hause OLG Dresden, eines vom OLG Hamm, aus dem Aufgabenbereich „Abgasskandal“, beide Urteile entschädigen den Kläger, beide sprechen dem Kläger Zinsen auf den Kapitalaufwand seit Klageerhebung zu, und beide rechnen mit einer Nutzungsentschädigung zu Lasten des Klägers. So weit, so erwartbar, so mittelgut.

Und dennoch ergibt sich bei aufmerksamer Lektüre ein sich mehr oder weniger auf einen einzigen Satz beschränkender Unterschied, jeweils im letzten Abschnitt des jeweiligen Urteils. So schreibt das OLG Dresden, es wird abschnittsweise zitiert: „Die Revision ist zuzulassen, weil…“, hingegen an gleicher Stelle das OLG Hamm: „Die Revision wird für die Beklagte… …zugelassen, …“.

Kein großer Unterschied in der Formulierung, Welten dagegen in der Veranlassung, die Worte so zu wählen, und nicht anders. „Die Revision ist zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 (2) ZPO).“ So das OLG Dresden, mit Hinweis auf § 543 (2) ZPO: „1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, 2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.“

An identischer Stelle nun das OLG in Hamm: „Die Revision wird für die Beklagte mit Blick auf die divergierende Entscheidung des OLG Braunschweig (Urteil vom 19.02.2019, 7 U 134/17, Rdnr. 186 ff.) zugelassen, welche eine Haftung aus § 826 BGB in Konstellationen wie der vorliegenden verneint, weil…“. Schon an dieser Stelle kommt man um eine entschiedene Erläuterung nicht herum, handelt es sich sowohl beim Datum des Urteils, so wie dem urteilenden Gericht um mindestens interessante Informationen. Februar 2019, 14 Monate mit unzähligen Urteilen sind ins Land gegangen, und Braunschweig, bis Oktober 2019 eine zuverlässige Zitadelle der Klageabweisung in der „Dieselkrise“, ehe man sich dort mit 450.000 in die Musterfeststellungsklage eingetragenen geschädigten Besitzern eines Fahrzeuges mit Volkswagenmotor Typ EA 189 konfrontiert sah.

Es sei also erheblich dahingestellt, ob Ort und Zeit zur Erläuterung einer Revisionszulassung geeignet sind. Desweiteren führt das OLG zu Hamm aus, es wird abschnittsweise und sinnerhaltend zitiert: „Im Übrigen ist eine Revisionszulassung nicht veranlasst, weil die Rechtssache darüber hinaus weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen ist.“ Dies unter zweimaligem Bemühen von § 543 (2) BGB. „bezweifeln, dass… …eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen muss, …  …weil diese Ansicht keinen ausreichenden Widerhall gefunden hat…“

Kommen wir an dieser Stelle von zwei Meinungen und zwei Urteilen zu der Frage, die sich stellt. Gibt es den Paragraphen 543 der Zivilen Prozessordnung zwei Mal? Ist uns etwas entscheidendes entgangen, befinden sich Dresden und Hamm vielleicht gar nicht im gleichen Zuständigkeitsbereich der Gesetzgebung? Nein, ein Blick ins Bürgerliche Gesetzbuch und einen einschlägigen Atlas belehrt uns eines Besseren.

Was also verursacht zwei sich so komplementär gegenüberstehende Auslegungen zweier dürrer Halbsätze? Noch ein weiterer Blick auf den so gebeutelten § 543, diesmal Abschnitt (1). „Die Revision findet nur statt, wenn sie, 2. das Revisionsgericht sie auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung zugelassen hat.“ Mit anderen Worten, wenn das Revisionsgericht einen Rechtsstreit als von solcher Erheblichkeit betrachtet, dass es ihn zur Revision zulässt, und es eine unübersehbare Vielzahl absolut ähnlich gelagerter Fälle gibt, und man Kenntnis davon, dass solche Fälle vor dem Revisionsgericht bereits zugelassen sind, kann man kurz und bündig folgern, dass jeder weitere Fall auch das Potential hat vor dem Revisionsgericht zugelassen zu werden.

Was also bemüßigt das OLG Hamm, die Revision für den Kläger nicht zuzulassen? Die Hoffnung, der Rechtsbeistand des Klägers wäre außerstande, die Anhörungsbeschwerde zu formulieren, kann es auch nicht sein. Handelt es sich in letzter Konsequenz um eine Art von Bockigkeit, fast kindlicher Renitenz, schlicht nicht einsehen zu wollen, dass sich in der Rechtsprechung seit dem Februar 2019 einiges bewegt hat. Es stehen höchstrichterliche Entscheidungen an, die vielleicht durch eine globale Krise in Folge einer Viruserkrankung verzögert werden, aber sie stehen unweigerlich an, mit ebenso unweigerlichen Auswirkungen auf die Entscheidungen im Oberlandesgericht in Hamm. Spielchen mit Revisionszulassungen sind kein Zeichen der Zukunft sondern der Vergangenheit.

Rechtsanwalt Torsten Schutte von der Kanzlei schutte.legal streitet bundesweit für ihr Recht auf Entschädigung im Abgasskandal.

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